2. Teil Regelwerk: Vor- und Nachteile von Submission only Events? Oder die Frage – an welches Grappling-Regelwerk wir unser Training anlehnen sollten?
von Prof. Martin Guggi
BJJ lebt von seiner Entwicklung. Sehen wir uns an wie noch vor ein paar Jahren gekämpft wurde, so hat sich das BJJ durchaus weiterentwickelt. Athleten haben sich dem Regelwerk entsprechend angepasst, wissen wie sie die Regeln zu ihrem Vorteil nützen müssen, um mit einem Punkt oder sogar nur mit einem Vorteilspunkt den Sieg zugesprochen zu bekommen. Besonders bei IBJJF Veranstaltungen erlebt man oft weniger Submissions, da man in der jeweiligen Kampfzeit auch mit Punkten gewinnen kann.
Momentan sind Submission only Tuniere sehr populär. Man bekommt keine Punkte, sondern gewinnt wenn der Gegner submitted wird – zur Aufgabe gebracht wird. Auch die Zeit spielt keine Rolle, da so lange gekämpft wird, bis einer der beiden Athleten eine Aufgabetechnik anbringen kann. Doch welche Auswirkungen haben solche Events auf die Entwicklung des Grappling, des Brazilien Jiu Jitsu?
Das Punkte System von IBJJF hat einen sinnvollen Hintergrund. Man bekommt Punkte für Positionen welche auch in der Selbstverteidigung vorteilhafter sind.
Takedown – 2 Punkte
Sweep – 2 Punkte
Guardpass – 3 Punkte
Mount – 4 Punkte
Backmount – 4 Punkte
Backcontrol – 4 Punkte
Dieses hierarchische Punktesystem hat die Bewandtnis, dass man sich im Laufe des Kampfgeschehens Punkte mäßig hocharbeiten kann. Man gewinnt sofort wenn man eine Submission anbringt und der Gegner zu Aufgabe gezwungen wird oder wenn man mehr Punkte erreicht hat als der Gegner. Dies hat den Vorteil, dass am Ende des Kampfes immer ein Gewinner feststeht. Nun gibt es auch „Advantage“ Punkte welche man zugesprochen bekommt, wenn man der Aktivere ist oder fast eine Position erreicht hat, welche Punkte bringen würde…. Diese Punkte verhelfen zwar am Ende der Kampfzeit einen Sieger festzustellen, sind aber nicht sehr hilfreich wenn es darum geht wirkliche Überlegenheit zu demonstrieren.
Diese Punkte werden natürlich bei Submission only Turnieren nicht berücksichtig. Nur die Submission zählt. Dieser Ansatz ist auf den ersten Blick sehr zu begrüßen, da das BJJ nun mal auf die Submission ausgerichtet sein sollte und nicht auf irgendwelche Punkte. Aber was bedeutet das für den Kampfsport und die Entwicklung der Athleten?
Nur die Submission zählt! Das heißt ich kann meine Guard so oft passieren lassen wie ich will solange ich nicht submitted werde. Das IBJJF Regelwerk und Punktesystem war aber als Anlehnung an eine Selbstverteidigungssituation eingeführt worden – sprich die Realität war die Ausgangsbasis. Natürlich kann im Sport nie so gekämpft werden wie in einer SV Situation, aber würden wir unsere Guard passeren lassen? Würden wir sie nicht mit aller Kraft versuchen zu verteidigen? Aus diesem Blickwinkel macht das Punktesystem wieder mehr Sinn, als bloß die Submission zu suchen und alles andere auszublenden.
Ich habe schon gehört, dass manche Leute sagen, sie wollen nur noch Beinhebel erlernen, weil dies bei den Submission only Turnieren vielfach die bevorzugten Angriffe sind. Beinhebel sind im IBJJF Regelwerk je nach Gürtellevel erlaubt. Je höher Fortgeschritten der Athlet, desto mehr Beinhebel werden zugelassen. Leider sind zB Heelhooks nie erlaubt… dies sehe ich als Schwachstelle des IBJJF Regelwerks an, da Beinhebel genauso zu den möglichen Submission gehören sollten wie jede andere Submission auch. Die Angst, dass Athleten verletzt werden ist eine berechtigte Angst. Deswegen aber bei Schwarzgurten oder professionellen Grapplern Heelhooks zu verbieten kann nicht der richtige Weg sein. Dass jedoch nicht jeder Anfänger gleich einer Submission ausgesetzt werden sollte, die zu langfristigen Verletzungen führen kann ist natürlich nur zu unterstützen.
Bei Schülern die Submission only Bewerbe zum Vorbild nehmen, habe ich bemerkt, dass sie sich nicht auf das Guard passieren konzentrieren, da sie lieber die Beine attackieren. Es geht sogar soweit, dass überhaupt keine Guardpasses mehr geübt werden…. Auch dies kann ich bei der Entwicklung zu einem kompletten Grappler nicht unterstützen, da auch das Guardpassieren zu den Aspekten des Kampfes dazugehört.
Doch welches Regelwerk ist nun zu bevorzugen?
Im Hinblick auf die Ausbildung eines Anfängers hin zu einem kompletten Grappler, der sowohl die Guard passieren kann, der aktiv den Takedown sucht und nicht bloß Guard zieht, muss ich den Regelwerk der ADCC Veranstaltungen den Vorzug geben. Die erste Hälfte der Kampfzeit gibt es keine Einschränkungen und Punkte – der Athlet hat alle Möglichkeiten die Submission zu bekommen. Er kann seine Guard mehrmals passieren lassen, er kann Guard ziehen und alles tun um die Submission zu bekommen. In der zweiten Hälfte der Kampfzeit gibt es Punkte – ab dann zählt jeder Takedown, jeder Guardpass, ja sogar fürs Guardziehen gibt es Minuspunkte.
Das ADCC Regelwerkt hat den Vorteil, dass es am Ende der Kampfzeit einen Sieger gibt. Die Kämpfe dauern nicht ewig, bis einer endlich nach zB 40min eine Submission bekommt. Nein, die Kampfzeit ist bei den Profis auf 10min beschränkt. 5min können die Athleten alles unternehmen um die Submission zu bekommen. In den 2. fünf Minuten gibt es jedoch Punkte in denen so gekämpft werden muss wie es auch in einer realistischeren Situation angebrachter wäre (Positionierung) und er bekommt für das Erreichen einer dominanteren Position Punkte. Auch für Beinhebel gibt es keine Einschränkungen.
Natürlich passen sich die Athleten auch an das ADCC Regelwerk an. Es ist natürlich möglich, dass ich in der ersten 5min. nur verteidige und nichts aktiv unternehme um die Submission zu bekommen und in der Zeit, ab da es Punkte gibt versuche ich bloß einen Takedown zu erziehlen…. Dies ist im Rahmen des Regelwerks möglich, hat aber den einen Vorteil, dass trotzdem die Entwicklung der Athleten in die richtige Richtung geht. Der komplette Athlet muss – Takedowns, Guardpasses und alle möglichen Submission beherrschen.
Die Auswüchse im IBJJF sind, dass es Kämpfe gibt die für den Zuseher langweilig sind und am Ende gewinnt einer mit einem „Advantage Punkt“ – was wie wir wissen keine klare Dominanz erkennen lässt. Weiters kam es schon vor, dass man nur mehr auf Punkte geht und nicht die Submission sucht…
Die Auswüchse von Submission only Turnieren haben wir bereits besprochen und auch hier sind nicht alle Aspekte zu begrüßen. Bei EBI Tunieren gibt es nach der Overtime die Möglichkeit sich eine von zwei Positionen auszusuchen und wer schneller aus der Position escaped oder submitted hat gewonnen. Diese Regel wurde von dem Ringen ausgeborgt… die Frage ist ob es wirklich eine technische Überlegenheit demonstriert wenn ich aus der Backcontrol schneller escape als der andere und der Zeitfaktor ausschlaggebend ist?? Der Start in einer benachteiligten Position erscheint mir auch nicht zielführend, da ich im Kampf diese Positionen mit allen Mitteln verteidige und auf einmal wird darin gestartet….
Das ADCC Regelwerk jedoch verhilft meiner Meinung nach zur Ausbildung vollkommener Athleten welche in allen Elementen des Sports bewandert sein müssen. Es gibt eine Unterscheidung in Anfänger, Fortgeschrittene und Profis und je nach Level werden mehr und gefährlichere Submission zugelassen.
Ein Sport, welcher einem Regelwerk zu Grunde liegt, kann immer nur eine Annäherung an realistische Situationen im Alltag sein, jedoch berücksichtigt dieses spezielle ADCC Regelwerk auch diesen Aspekt. Als Trainer ist es mir wichtig meinen Schülern einen Ausblick zu geben wohin sie sich entwickeln sollen. Da es jedoch sehr viele Regelwerke gibt, müss ich mein Training auch an eines dieser Regelwerkte anpassen. Ich möchte, dass meine Athleten aktiv die Submission suchen und gleichzeitig auch wissen wie sie sich im Kampf anhand der Punkte positionsmäßig verbessern können. Guardziehen soll nicht ganz unterbunden werden, kann aber nicht dazu führen, dass man keine Takedowns erlernt. Leglocks sollen natürlich wie jede andere Submission auch beherrscht werden, doch kann deshalb nicht das Guardpassieren vernachlässigt werden.
Bei uns im Training wird mit Gi und ohne Gi trainiert. Mit Gi halten wir uns an die IBJJF Regeln – sprich ohne Hellhooks und Kneereaping und beim No Gi Training dürfen ab dem Blaugurtniveau auch Heelhooks angegriffen werden muss aber vorher mit dem Partner abgesprochen werden.
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