Ist Erfolg im BJJ planbar???
von Prof. Martin Guggi
Für den Trainer steht die Entwicklung seiner Athleten im Vordergrund. Was kann der Trainer tun, damit aus den Jungs und Mädls gute Wettkämpfer werden? Ist ihr Erfolg planbar?
Wie in jedem anderen Sport auch gibt es im BJJ verschiedene Faktoren, die zum Sieg oder zur Niederlage führen. Da die meisten dieser Faktoren trainierbar sind, kann bis zu einem gewissen Grad Erfolg geplant werden. Hier ein paar Überlegungen dazu.
- Die Einstellung – Technik – Kondition:
Noch vor technischen oder konditionellen Eigenschaften ist die Einstellung der Athleten das Entscheidende. Wie hoch und regelmäßig ist ihre Trainingsteilnahme? Kommen sie um zu Lernen oder um zu Gewinnen zum Training? Kämpfen sie technisch oder nur mit Kraft?
Einstellung |
Kondition |
Basics – Techniken |
Die Einstellung wirkt sich auf das ganze Trainingsverhalten aus. Wie gerollt wird. Wie gelernt wird. Ob der Athlet zuhört oder überhaupt coachbar ist!? Mit der richtigen Einstellung werden schneller Fortschritte sichtbar.
Bevor kein Grundverständnis der BJJ Techniken vorhanden ist, braucht niemand einen Wettkampf bestreiten. Es können nur Techniken verteidigt werden die man kennt, das bedeutet aber nicht, dass man alle Techniken verteidigen kann. Verschiedene Setups und Situationen des Kampfes lassen sich nicht vorauserahnen, doch mit einem gewissen Grundverständnis kann schon sehr viel antizipiert werden. Wird ein Kampf jedoch aufgrund mangelnder Ausdauer oder Fitness verloren, dann wurden die Hausaufgaben nicht gemacht. Wer jedoch regelmäßig zum Training kommt, das Warmup mitmacht und am Ende des Trainings 3-5 Runden je 5 min. rollt, sollte sich genügend spezifische Ausdauer antrainiert haben, um bei einem Turnier eine Runde mit 5 Minuten durchzuhalten und nach einer Pause eine weitere. Eines darf jedoch nie vergessen werden: Kondition ist wichtig – das sieht man auch schon daran wie viel Geld momentan ins Doping gesteckt wird – kann aber nie so viel ausmachen wie das technische Können. Speziell Krafttraining ist besonders im NoGi hilfreich, doch eine technische Veränderung, eine Kleinigkeit wie das minimal verbesserte Platzieren der Hüfte, wirkt sich immer noch deutlich stärker aus als jeder gewonnene Kraftzuwachs.
- Technik – Gameplan – Taktik
Wie bei anderen Artikeln schon angesprochen, ist der persönliche Stil und das persönliche Spiel sehr entscheidend. Wenn sich Schüler in eine eigene Richtung entwickeln, ihre Lieblingstechniken bewusst drillen und zur Anwendung bringen, dann habe ich als Trainer mein erstes Ziel erreicht – der Schüler wird selbstständig und wird sich ab jetzt auch ohne meine Hilfe weiterentwickeln.
Das persönliche Verständnis der eigenen individuellen, anatomischen Vor- und Nachteile ist zum Finden des eigenen Kampfstiles sehr wichtig. Wenn ich als Trainer weiß, wo mein Athlet gut ist, kann ich versuchen die Taktik so zu wählen, dass er seine Attribute ausspielen kann. Im Wettkampf ist keine Zeit zum Experimentieren. Der Kampf muss gezielt in die Bereiche gelenkt werden, wo mein Schüler seine Chancen ausspielen kann.
- Technik – Setups – Kombinationen – Systeme
Um heutzutage neue Techniken zu lernen, brauchen Schüler kaum noch Lehrer. Dank YouTube und Onlinetraining sind Videos jederzeit und überall zugänglich. Als Trainer sehe ich meine Aufgaben darin, diese Techniken zu sortieren, Technikkombinationen zu erstellen, Setups für die to-go-Techniken meiner einzelnen Athleten zu kreieren und Systeme von Positionen zu schaffen, in denen der Athlet die meisten Reaktionen der Gegner bereits vorausahnen kann, da er sie im Training verinnerlicht hat. Einzeltechniken ohne Zusammenhang unterrichten kann heute fast jeder Trainier.
- Wettkampferfahrung – Regelsysteme
Wollen Schüler Wettkämpfer sein, müssen sie ihre Hausaufgaben machen. Sprich zuerst lokale, regionale, nationale Turniere besuchen bevor internationale Turniere angesteuert werden. Die Wettkampferfahrung darf nicht unterschätzt werden. Wie oft habe ich gesehen, dass gute Techniker ihren ersten Kampf verschlafen haben oder wie angewurzelt vor ihrem Gegner verharrt sind. Dies hat nur mit der Wettkampferfahrung zu tun und kann gut bei kleineren Turnieren (bis zu einem gewissen Grad) abgelegt und trainiert werden.
Eine alte Trainerweisheit lautet: Man kann nur so kämpfen, wie man trainiert! Wer sich nicht auf ein Regelsystem vorbereitet, wird sich nur schwer im Kampf einfach so diesem anpassen können. Zu sehr sind die Bewegungen verinnerlicht, welche gerne gemacht werden – welche aber nicht unbedingt immer sinnvoll sind für ein bestimmtes Punkte- oder Regelsystem. Z.B. Wird ein Leglocktyp nicht den Rücken verteidigen sondern im Notfall die Beine attackieren – was aber wieder bedeutet, dass er Punkte verliert bzw. die Beine angreift obwohl sie in gewissen Regelwerken verboten sind.
- Einzelaspekte
BJJ ist, egal in welchem Entwicklungsstadium wir uns befinden, immer eine Herausforderung. Wenn man jedoch den Sport in Einzelaspekte unterteilt, kann Erfolg planbar sein. Hier ein paar Aspekte auf die man sich konzentrieren kann:
Die Anatomie gilt als Ausgangsbasis! Geht man vom NoGi aus bleiben 12 Basissubmission übrig.
Körperextremitäten | Hebelrichtung bzw. Würgemethode | Geläufige Bezeichnung |
Kopf | Beidarmig von hinten | Mata Leao/Sleeper/Rear Naked Choke |
Kinn wird Richtung Brust gedrückt und somit Druck auf die Halswirbelsäule ausgeübt | Canopener – Regelwerk abhängig | |
Würger mit einem Arm | Triangel – Armtriangel, Beintriangel, Brabochoke, Anaconda | |
Kehlkopfmanipulation | Ezechiel, Fistchoke | |
Arm | Fixierung des Handgelenks und der Schulter, bei einer Übermäßigen Außenrotation des Arms | Americana, V-Lock |
Fixierung des Ellbogens und der Schulter, bei einer Übermäßigen Innenrotation des Arms | Francesa, Kimura | |
Überstreckung des Ellbogens | Armbar | |
Hyperflexion bzw. Extension der Hand | Wristlock | |
Bein, Knie | Hyperextension im Knie | Kneebar |
Überrotation des Kniegelenks über den Ansatzpunkt Ferse | Heelhook | |
Hyperextension im Sprunggelenk, mit gleichzeitigen Druck auf die Achillessehne | Achilleslock, Straight Anklelock | |
Hyperextension und Hypersupination im Sprunggelenk | Toehold |
Als Basissubmissions könnte man somit 4 am Kopf, 4 am Arm und 4 am Bein bzw. Fuß zählen. Macht insgesamt 12 Basissubmissions. Wenn wir dies nun mit den 5-7 Grundpositionen multipliziert, zählt man zwischen 60 und 84 Submissions.
Folgend eine Übersicht der am wichtigsten zu beachtenden Punkte:
- Aktivität vs. Passivität – wer nicht aktiv kämpft, ist immer einen Schritt hinten! Wie können erste Schritte gesetzt werden?
- Erster Kontakt? Griff? Griffkampf?
- Takedowns
- Guardpulls
- Anatomische Vor- und Nachteile?
- Individueller Gameplan?
- Kampfstil? Mehr on Top oder on Bottom?
- Welche Körperteile werden bevorzugt angegriffen?
- Welche Submissions passen dazu?
- Welche Setups gibt es, um diese Submission zu bekommen?
- Welche Systeme lassen sich kreieren, um Gegner in die Falle zu locken?
- Wie kann ich die Vorteile meines Athleten noch besser machen?
- Wie kann ich die Schwachstellen meines Athleten im Wettkampf verhindern bzw. im Training ausmerzen?
- Positionierung – Transitions – Sweeps – Submissons –Escapes – Counter
- Kann er alles? Wo ist er gut? Wo schlecht?
- Wie ist das Regelwerk? Wie können Stärken, dem Regelwerk angepasst, eingesetzt werden?
- Was kann der Gegner gut? Wo sehe ich die Chancen ihn zu übertrumpfen?
Die Frage ist nicht ob Erfolg planbar ist! Die Frage ist ob ich die Geduld habe, mir so viel Zeit zu nehmen, mich auf jeden Athleten einzeln einzulassen und sein Game zu analysieren, um die perfekte Taktik aufgrund seiner Anatomie, seines Gameplans und seiner Techniken zu erstellen.
Erfolg ist planbar!!! Mit genügend Zeit, Hingabe und Leidenschaft sogar sicher!
Die schwierigeren Fragen sind jedoch folgende:
- Kann ich mich als Trainer voll und ganz zum Wohle meiner Athleten aufopfern?
- Wo bekommt der Trainer sein Geld her?
- Wie viel Zeit kann der Trainer investieren?
- Wie professionell und gut bin ich als Trainer?
- Wie lange kann und soll ich meine Schüler unterrichten bevor ich sie weiterschicken muss? Jeder Trainer hat nur eine beschränkte Ansicht …
- In welchen Bereichen brauche ich als Trainer Unterstützung?
- Welche Leidenschaft, welche Einstellung, welche Hingabe zu diesem Sport habe ich als Trainer???