2. Teil – Fehler beim Drillen
Wie man nicht drillen sollte!
von Prof. Martin Guggi
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich in manchen Punkten wiederhole, möchte ich gerne noch ein paar wesentliche Feinheiten zum erfolgreichen Drillen ausformulieren. Wie im Teil 1 bereits beschrieben, soll uns das Drillen auf das Sparring vorbereiten. Techniken verfeinern, Reaktionen im Drillen bereits vorwegnehmen um so erfolgreicher beim Sparring zu sein. In meinen Augen kann drillen bis zu 50% des Trainings umfassen. Die Zeit die dafür aber aufgewendet wird, sollte eine produktive Zeit sein. Dank meiner Trainingspartner fallen mir und uns immer wieder Situationen auf, wo wir die Zeit nicht effektiv nutzen. Vielleicht können unsere subjektiven Erkenntnisse auch andere Leute dabei unterstützten, ihre Zeit besser zu nutzen.
- „Das Rad muss nicht neu erfunden werden!“
Dank DVD´s, Seminaren, Camps, Youtube oder online Training gibt es unbegrenzte Möglichkeiten sich neues Wissen anzueignen. Trotzdem passiert es manchmal, dass man glaubt eine Technik neu erfinden zu müssen. Wir haben selbst Stunden damit verbracht zu forschen, was man aus einer Position noch alles machen könnte. Darin ist sicherlich nichts falsch. Kreativität und die Beschäftigung mit gewissen Situationen und Positionen können viel Einsicht in Bewegungen und neues Verständnis bringen. Wenn du aber eh schon wenig Zeit hast, noch nicht allzuviel gedrillt hast, dann versuche nicht „das Rad neu zu erfinden“ sondern bleibe bei den Techniken, die schon viele andere vor dir erfolgreich angewendet haben.
Gerade bei Leglocks gibt es momentan noch nicht soviel Material, welches ohne Probleme nachzuahmen wäre. Hier sehe ich nach wir vor Lücken, welche sicherlich nur durch Kreativität und Probieren gefüllt werden können. Wettkampfvideos von Leuten des Danaher Teams sind sicherlich zu empfehlen. Sobald du jedoch überzeugt bist Techniken gefunden zu haben, die zu deiner Anatomie passen, dann denke nicht weiter nach sondern werde zur Drillmaschiene und hör auf Neues und noch Besseres finden zu wollen. Wir alle lernen in Stadien:
- Nachahmen
- Selbsterkenntnisse über die eigenen Voraussetzungen (Anatomie usw)
- Kreativiät und Selbststudium
- Freies, offenes Anwenden
Solange du aber über keine ausreichende Erfahrung verfügst – bleibe beim Nachahmen – und versuche nicht zu schnell kreativ zu werden. Es gibt genug, die sich im frühen Stadium falsche Details angeeignet haben, weil sie zu früh kreativ wurden. Bevor du nicht violett bist, glaube ich, solltest du lieber dein Hauptaugenmerkmal auf das Nachahmen richten und gut bewährte Techniken drillen. Drilleinheiten sind zum Drillen da! Für Experimente gibt es andere Zeiten.
- Wertigkeiten bei der Auswahl der Techniken
Wie bereits in Punkt 7 angesprochen, sollten alle Aspekte des BJJ trainiert werden. Wenn wir jedoch BJJ Wettkämpfe ansehen, können wir den Wettkampf in drei Hauptaspekte unterteilen. Standup, Guardpass bzw. aus der Guard arbeiten. In diesen Teilbereichen verbringen wir bis zu 80% des Wettkampfes. Wenn ich also mein Drilltraining unterteile, sollte ich auch die Zeit so einteilen, dass ich diesen Bereichen die meiste Zeit einräume. Natürlich müssen auch Schwachstellen im eigenen Game, Escapes oder andere Teilbereiche verbessert werden aber ich würde nicht so viel Zeit aufwenden wie für die Hauptbereiche im Game. Diese Wertigkeiten beeinflussen sicherlich auch euer persönliches Game. Das Regelwerk, unter dem gekämpft wird, beeinflusst die Wertigkeit und daher die ausgewählten Techniken für das Drillen. Aber vergeudet nicht die ganze Zeit eurer Drilleinheit z.B. eine spezielle Footlock-Verteidigung zu drillen.
- Drillen bis du es nicht mehr falsch machen kannst.
Hattest du schon mal das Gefühl, dass wenn jemand in eine gewisse Situation kommt, dass du ihn bestimmt submitten wirst? Ich spreche dabei nicht nur von einer Position, wo du nur noch die Submission zuziehen musst sonder z.B. von einer Guardform. Roger Gracie, von dem dieses Zitat stammt, kann als Beispiel dienen. Wer in Roger’s close Guard kam, ist meist submittet worden. Hast du selbst schon mal dieses Gefühl gehabt, wenn du in der Mount bist, wenn du die Backcontrol hast, wenn du jemand in deiner Dela Riva hast, dass du schon fast am Ziel bist? Dieses Gefühl setzt voraus, dass du eine Position schon so lange gedrillt hast, dass du genau weisst, welche Reaktionen auf dich zukommen können und du dir beim Drillen eine Antwort darauf überlegt und eingeübt hast. Ich wünsche jedem von euch, dass er diese Gefühl einmal erlebt. Leider kommt dieses Gefühl meist nur in gewissen Positionen und es wird genug Positionen geben, wo man dieses Level noch nicht oder nie erreicht. Ebenfalls kann jedes Gefühl für eine Position leider auch wieder verschwinden, wenn man nicht bei Zeiten weiter daran arbeitet oder sie zumindest wiederholt.
- Nicht aufhören Stärken weiter zudrillen
Den Rat, drille deine besten 3 Bewegungen und deine schlechtesten 3 Positionen ist für viele der Ausgangspunkt beim Drillen. Wenn du jedoch einmal eine Position intensiv studiert hast und du dich sehr wohl darin fühlst, dann höre nicht auf diese Position weiter zu drillen. Damit meine ich nicht: “Höre auf neue Schwachstellen zu finden und an diesen zu arbeiten, um nur die erfolgversprechenden Bewegungen zu perfektionieren.” Aber versuche sie immer wieder zu wiederholen, dass du sie ja nicht vergisst und das Gespür dafür verlierst. Du hast bereits Stunden damit zugetragen diese Techniken zu üben und es wäre schade, wenn diese Zeit umsonst gewesen wäre.
Einem meiner Drillpartner ist es leider so ergangen. Nach einem Turnier hat er aufgehört sein A-Game weiter zu trainieren und hat versucht neue Aspekte in seinem Game aufzubauen. Die Idee ist nur zu unterstützen, aber er hat leider vergessen seine alten Bewegungen zu wiederholen und jetzt schleichen sich Schlampigkeitsfehler ein, welche es vorher nicht gab.
15. Pausen
Auch wenn wir die beste Einstellung zum Drillen haben und unsere Zeit hervorragend nutzen wird es Tage geben wo es leicht ist in einen Flowzustand zu kommen und Tage an denen es nicht so ist. Wichtig ist, dass man sich auch zugesteht, dass es solche ungewollten Tage auch geben darf. Der Körper braucht manchmal zu manchen Zeiten mehr Pausen als an anderen und es ist auch wichtig im diese zu zugestehen. Tötet euer eigenes Feuer nicht ab, doch es ist manchmal notwendig einen Schritt zurück zu machen bevor man den Sprint wieder voll aufnehmen kann.
Abschließend, kann ich wieder nur den Rat geben: Fordert euch selbst heraus! Versucht objetiv euer Game zu analysieren. Aber das eigene Game auszubauen, heißt nicht nur das Bisherige zu verbessern. Wiederholt Bekanntes und erweitert euren Technikhorizont. Nutzt eure Zeit und habt Spass bei Drillen der von euch für gut befundenen Techniken.